In der Wissenschaft herrscht in der Frage, ob Mobilfunk der Gesundheit abträglich ist, Uneinigkeit. Als Auswirkung davon hat auch die Weltgesundheitsorganisation WHO Funkanwendungen als „möglicherweise kanzerogen“ klassifiziert – eben weil es eine Unzahl wissenschaftlicher Studien gibt, die zwar keinen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Tumoren und Mobilfunk erkennen lassen, aber genausowenig konkret die von einigen vermutete Gefahr zweifelsfrei ausschließen können.
Freilich steht die Argumentation der mobilfunkkritischen Wissenschaftler, dass die Latenzzeit von Tumoren 15, oder gar 20 Jahre beträgt und es daher schwierig sei, einen kausalen Zusammenhang zu beweisen, mit jedem zusätzlich verstrichenem Jahr auf immer wackligerem Boden: Denn schon Anfang der 1990er war Österreich mit einem dichten Netz von Mobilfunkstationen überzogen, längstens Ende der 1990er fand sich kaum noch jemand, der nicht ohne eines der damals beliebten Klapphandys in der Tasche außer Haus ging. Dennoch hat sich die Gehirntumor-Neuerkrankungsrate in der österreichischen Bevölkerung laut Statistik Austria seit dem kaum verändert, in manchen Jahren ist sie sogar zurückgegangen.
Wissenschaftlicher Streit rund um REFLEX-Studie
Umso bemerkenswerter ist, dass seit einem knappen Jahrzehnt ein Streit zwischen Wissenschaftlern schwelt, der inzwischen vor deutschen Gerichten ausgetragen wird.
Ausgangspunkt ist die so genannte REFLEX-Studie, die in den 2000ern durchgeführt wurde und die Frage klären sollte, ob es zur Schädigung des menschlichen Erbgutes durch elektromagnetische Felder, die in der Mobilfunktechnik eingesetzt werden, kommen kann.
Und tatsächlich wurden signifikante Hinweise gefunden, die diese Annahme unterstützten.
Vielleicht eine Spur zu signifikant, wie Prof. Dr. Alexander Lerchl von der Jacobs University Bremen bemerkte, als er sich das Zahlenmaterial der Studie genauer ansah. Die ersten Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität der Studie kamen auf, auch weil die Studie selbst nicht zweifelsfrei reproduziert werden konnte.
Lerchl nahm jedenfalls nach Studium des Statistikteils an, dass Aufgrund der Linearität der Einzelergebnisse, die Daten fabriziert wurden und nannte in diesem Zusammenhang auch den Namen einer Person, die dazu theoretisch in der Lage gewesen wäre.
Klage gegen Kritiker
Diese Person reichte im Sommer 2014 beim Landgericht Hamburg eine Klage gegen Lerchl ein und setzte erfolgreich durch, dass er es unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten zu unterlassen habe, in Bezug auf die klagende Person verschiedene Aussagen zu machen.
Selbstverständlich feierte die Anhängerschaft der REFLEX-Studie dies als Erfolg. Mehr noch – bei einer Podiumsdiskussion wurde sogar vor Publikum behauptet, dieses Urteil sei der zweifelsfreie Nachweis dafür, dass die Daten echt und damit das Ergebnis der REFLEX-Studie valide sei.
Ein, wie sich im Herbst 2017 herausstellen sollte, schwerwiegender Fehler.
Denn genau diese Podiumsdiskussion, die im ehrwürdigen Wiener Votiv-Kino am 19.2.2016 stattfand, diente nichts anderem als Promotionzwecken für die Premiere der Dokumentation „Thank You For Calling“, ein Film, dem die REFLEX-Studie zugrunde liegt und in dem so gut wie alle, zum größten Teil widerlegten Vorurteile gegen die Mobilfunktechnik filmisch zusammengefasst und als Argumentationskette für die vermeintliche Gefahr, die von Mobilfunkanwendungen ausgeht, dramatisiert werden.
Gegendarstellung via Youtube
Das Forum Mobilkommunikation hat deshalb nach der Premiere des Films mit einer Art Gegendarstellung reagiert und ein Video mit dem Titel „Pick Up The Phone – ein Faktenchek zum Film Thank You For Calling“ via Youtube verbreitet.
Lerchl, der naturgemäß seit dem Richterspruch gegen ihn darauf bedacht ist, zumindest einen bestimmten Namen im Zusammenhang mit der REFLEX-Studie nicht mehr zu nennen, wiederholte deshalb im Rahmen eines Interviews in diesem Video lediglich den Vorwurf, dass die Daten „fabriziert“ wurden und dies auch auf der Website der Med Uni Wien nachlesbar sei *). Jedenfalls hat Lerchl damit die Argumentation widerlegt, dass das Ergebnis der REFLEX-Studie ansich von „gerichtlicher Stelle“ anerkannt ist.
Zweite Klage abgewiesen: Eigene Meinung darf geäußert werden
Dass es bald zu einer Reaktion darauf kommen sollte, war allen Beteiligten klar, allerdings die Richtung, aus der sie kam, verwunderte dann doch einigermaßen:
Tatsächlich brachte die Person wieder eine Klage ein, die es eigentlich am besten wissen muss, dass das Urteil aus dem Jahr 2014 Lerchl Aussagen ihrer Person betreffend verbietet, jedoch nicht, seine wissenschaftlich fundierte Meinung zur REFLEX-Studie zu äußern.
So argumentierte, verkürzt dargestellt, auch das Gericht, das die Klage gemäß dem Antrag der Medienkanzlei IRION aus Hamburg als unbegründet abwies, denn Lerchl dürfe natürlich seine Meinung äußern. Das Wort „Fabrizieren“ sei nämlich von wertenden Element geprägt, anders als das Wort „Fälschung“, das dem Beweis zugänglich sei.
Wenn also Lerchl sagt, die Studien seien fabriziert, so bringe er – so der Spruch des Gerichts – damit zum Ausdruck, dass er die Ergebnisse nicht teilt, was die klagende Person in ihrem Persönlichkeitsrecht verletze, „Aber der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht betrifft nicht den Kernbereich der Persönlichkeit, sondern lediglich die berufliche Tätigkeit (der klagenden Person). Diese wissenschaftliche Tätigkeit darf von anderen Wissenschaftlern bewertet und auch kritisiert werden.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
*) die Presseaussendung der Med Uni Wien ist mittlerweile von deren Website verschwunden.
Rückfragehinweis:
Gregor Wagner
Pressesprecher
Forum Mobilkommunikation – FMK
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